Warum Gründer sich spezialisieren sollten

Soll ich mich als Gründer möglichst breit aufstellen um viele Marktteilnehmer anzusprechen? Oder hängt der Erfolg meines Unternehmens von der richtigen Spezialisierung ab? Schon die Fragen muten seltsam an spricht man mit Verfechtern der Engpass konzentrierten Strategie EKS. Einer Managementlehre, die sich ganz der professionellen Spezialsierung verschrieben hat. Unser Gründermagazin-Experte Emil Hofmann hat sich auf den Weg in das unterfränkische Giebelstadt gemacht und sich dort mit Udo Vonderlinden unterhalten, Berater und Coach für Internetmarketing, Mitgründer der Werbeagentur medioton und ordentliches Mitglied der Beratergruppe Strategie e. V.

GM: Gründer sind beseelt von ihren Leistungen und Produkten. Sie sollen nun bei der Markteroberung helfen. Welche Fragen stellen Sie dem Jungunternehmer als erste?

Udo Vonderlinden: Ganz klar die nach seinen erklärten Wunschkunden. An der Art wie mein Gegenüber mit dieser wichtigen Frage umgeht, erkenne ich schnell wes Geistes Kind er oder sie ist.

GM: Die Frage nach der Zielgruppe ist nicht gerade neu bzw. eher banal, oder?

Udo Vonderlinden: Sollte man meinen. Allerdings haben gerade Gründer oft vom Bankkredit über die Steuererklärung bis hin zur eigenen Leistung alles im Blick, nur nicht den individuellen Zielmarkt. Irgendwie ist das verständlich, genauer betrachtet aber ebenso absurd. Denn es sind ausschließlich die zahlenden Kunden, die über die unternehmerische Existenzberechtigung entscheiden. Und Kunden überzeuge ich am besten durch einen klaren Nutzen, den ich mit meiner Leistung stifte und kommunizieren kann.

GM: Warum empfehlen Sie dabei die Spezialisierung auf ein Kompetenzfeld? Ist es in der Gründungsphase nicht sinnvoll das eigene Angebot breit zu definieren, dass möglichst viele Kunden auf mich und meine Leistung aufmerksam werden?

Udo Vonderlinden: Es geht gar nicht um ein spezielles Kompetenzfeld. Spezialisierung oder auch Strategie – im Sinne der EKS, wie sie ihr Begründer Wolfgang Mewes versteht – beschreibt den optimalen Einsatz der eigenen und der aus Kooperationen entstehenden Kräfte. Und zwar zum Nutzen einer definierten Zielgruppe. Wer für seine Kunden subjektiven Nutzen und damit Mehrwert stiftet, vergrößert automatisch die eigenen Marktchancen.

GM: Nun haben ja die Kunden sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Sollen Unternehmer denn ständig dem Markt hinterher laufen?

Udo Vonderlinden: Im Gegenteil, es geht nicht um das passive Nachlaufen sondern um das pro-aktive Innovieren. Wohl die wichtigste Unternehmertätigkeit überhaupt. Sehen Sie sich die Entwicklung mit den Smartphones an. Ich kann mich gut erinnern, als es noch gar keine Handys gab. Wenn Du heute nicht Terminkalender, Kamera, Diktiergerät und Deine komplette Musiksammlung per mobilem Endgerät mit Dir führst, bist Du out.

GM: Das sind doch Extreme. Was ist mit Malern oder Heizungsbauern, ganz normale, bodenständige Berufe. Müssen die auch ständig innovieren.

Udo Vonderlinden: Die Dynamik ist wohl eine andere, aber selbstredend müssen auch diese Unternehmer ständig mit den Bedürfnissen Ihrer Zielgruppen mitwachsen. Nehmen wir Ihren Heizungsbauer Max Muster. Wenn der sich nicht mit Blockheizkraftwerken, Solarthermie oder Fördermöglichkeiten für seine Kunden auseinandersetzt: wie lange glauben Sie wird der sich noch an der Spitze seiner Zunft halten können?

GM: Das klingt nach viel Hektik …

Udo Vonderlinden: Mitnichten. Es gibt nämlich eine „magische Konstante“, die wie ein verlässlicher Fixstern für mein Geschäft genutzt werden kann. Das Zauberwort heißt „konstantes Grundbedürfnis“. Der exemplarische Heizungsbauer darf sich nur nicht singulär als Fachmann für Gasheizungen sehen. Wer den Zielmarkt im Auge hat, der formuliert die eigene Expertise aus Kundensicht und lebt danach. Dann ist der Max Muster in eigener Sicht der Spezialist für „wohlig-warmes Raumklima“. Wenn das sein Selbstverständnis ist, dann ist er der erste, der sich auf der nächsten Messe über neue Entwicklungen in der Solarthermie informiert.

GM: Birgt ein solches Vorgehen nicht die Gefahr sich zu verzetteln? Welchen Tipp geben Sie einem Gründer, der sagt, dass er nicht „auf allen Hochzeiten tanzen“ kann?

Udo Vonderlinden: Dem sage ich, dass er oder sie vollkommen Recht hat. Dort wo ich mit meiner Expertise nicht hin kann oder will, muss ich mir Unterstützung suchen. Die EKS sieht hier Kooperationen vor, sei es im Unternehmen in Form von Mitarbeitern oder Partnern. Oder extern mit anderen Spezialisten. Im Fokus steht immer nur eines: der zufriedene, wenn möglich begeisterte Kunde im Sinne seiner ureigenen Bedürfnisse.

GM: Wie komme ich denn an gute Kooperationspartner? Soll heißen zuverlässige, integere und fachlich versierte Experten, die meine Sprache sprechen und ggf. noch meine Unternehmens-Philosophie teilen?

Udo Vonderlinden: Wichtig bei der Wahl von Kooperationspartnern ist weniger die persönliche oder unternehmerische Freundschaft. Obwohl gute Chemie freilich hilfreich ist. Entscheidend ist, dass man sich fachlich ergänzt und das gleiche Ziel vor Augen hat: den optimalen Kundennutzen. Gerne empfehle ich zu dem Thema das Buch meines Beraterkollegen Christian Görtz „Mehr Umsatz durch Marketing-Kooperationen“, der sich auf rund 140 Seiten ausschließlich und umfassend den Business-Kooperationen annimmt.

GM: Was raten Sie einem Gründer, der jetzt Blut geleckt hat und sich weiter für das Thema EKS interessiert?

Udo Vonderlinden: Da gibt es nur einen Tipp: Der Besuch der EKS Sommerschule. Das Seminar leitet Dr. Kerstin Friedrich, eine ganz außergewöhnliche Beraterkollegin. Nach diesem Wochenende sehen Sie Ihren Business-Alltag und Ihre unternehmerischen Pflichten aus anderen Augen.

Buchtipp

Buchlink zu Christian Görtz „Mehr Umsatz durch Marketing-Kooperationen“
https://amzn.to/VY6tJi

Sieben Phasen, EKS für Gründer*

  1. Stellen Sie Ihre eigene Ist-Situation fest und ermitteln Sie eigene Stärken gegenüber dem Wettbewerb.
  2. Erarbeiten Sie Ihr Erfolg versprechendstes Geschäftsfeld. Schnüren Sie aus Ihren speziellen Stärken ein optimales, einzigartiges Nutzenpaket.
  3. Wer ist die Zielgruppe, die zu Ihrem Nutzenpaket am besten passt? Und: Wer passt am besten zu Ihnen im Sinne sozialer Affinität?
  4. Ermitteln Sie den größten Engpass dieser Zielgruppe und versuchen Sie diesen Engpass für den Kunden optimal zu lösen.
  5. Innovation: Ihre intensive Arbeit mit dem Kunden zeigt neue Engpässe auf. Deren erneute Lösung stiftet weiteren Nutzen, macht den Kunden erfolgreicher und führt zu einem engen Vertrauensverhältnis.
  6. Die Konzentration auf die eigene Expertise macht in der Regel Kooperationen notwendig, um neu auftretende Kunden-Engpässe zu lösen. Suchen Sie hierzu Partner und achten Sie darauf nur synergetische Kooperationen einzugehen.
  7. Sobald das konstante Grundbedürfnis Ihrer Zielgruppe umfassend und dauerhaft gelöst ist: Systematisieren Sie Ihre Lösungskompetenz und ermitteln Sie neue Zielgruppen.

*Die sieben Phasen der Engpass konzentrierten Strategie beschreiben einen Prozess, den zu durchlaufen eine dauerhafte Unternehmer-Aufgabe darstellt.

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